»Das besondere Objekt« rückt für einen Zeitraum von drei bis vier Monaten immer wieder neue Objekte oder Objektensembles ins Blickfeld der Besucherinnen und Besucher des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr an seinem Standort Dresden. Dieses Format erlaubt, bemerkenswerte Neuerwerbungen oder Schenkungen vorzustellen, Gedenktermine oder historische Persönlichkeiten zu würdigen, aber auch Hintergrundinformationen zu aktuellen Ereignissen anzubieten.
»Das besondere Objekt« wird in einem kleinen Rahmen dem Anspruch des Museums gerecht, sichtbar zu machen, was aus der Geschichte übrigblieb, oder, was aus unserer Zeit an künftige Generationen überliefert werden wird. Durch die Kuratorinnen und Kuratoren des Museums werden sie zum »Sprechen« gebracht. Das besondere Objekt wird stets im Eingangsbereich des Museums platziert sein.
Headerbild: © MHM / Andrea Ulke
Selten lässt sich die Geschichte eines Exponats so genau nachvollziehen, wie in diesem Fall. Aus dem Mindesthaltbarkeitsdatum 08.03.1989 auf der Dose lässt sich schließen, dass dieses Bier am 8. März 1988 abgefüllt und etwa fünf Wochen zuvor in Dortmund gebraut worden war. Dem Aufdruck »Imported from Germany« zufolge war es für den Export in die USA bestimmt. Dort wurde es für die Versorgung diplomatischer Vertretungen erworben. So gelangte die Dose im Herbst 1988 in die US-Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul.
Zu dieser Zeit verschlechterte sich die dortige Sicherheitslage rapide. Die Botschaft musste deshalb am 31. Januar 1989 geschlossen werden. Mit dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan begannen zwischen den verschiedenen Widerstandsgruppen Kämpfe um die Vorherrschaft im Land. Zwischen 1992 und 1996 wurden dabei weite Teile der Hauptstadt Kabul zerstört. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 vertrieb eine internationale Koalition die mittlerweile herrschenden Taliban aus Kabul. Im Dezember nahmen US-Marines die Botschaft wieder in Besitz. Zu ihrer großen Überraschung war das Gebäude vollkommen unberührt geblieben und nie geplündert worden. Mehrere Paletten des 1988 gelieferten Bieres hatten die Zeit überdauert.
Wesley MacMullen, Captain der US Army, war damals beauftragt, die afghanische Nordallianz bei der Vertreibung der Taliban zu unterstützen. Er befand sich auf dem Flughafen von Bagram, als dort LKWs eintrafen, die mit Gütern aus der Kabuler US-Botschaft beladen waren. MacMullen war sehr erstaunt über die Paletten mit Bier, die über 10 Jahre unberührt geblieben waren. Umgehend sicherte er sich eine davon als Andenken.
Während der nächsten Jahre begleitete ihn das Bier im Zuge seiner Verwendungen zu den Militärstützpunkten Fort Bragg (North Carolina), Fort Leavenworth (Kansas) und Fort Benning (Georgia). Ab 2008 war Lieutenant Colonel MacMullen beim Allied Joint Force Command der Nato im niederländischen Brunssum stationiert. Kernaufgabe des Kommandos war und ist die einvernehmliche Abstimmung der operativen Planungen der Bündnispartner. Mac Mullen war dort dem deutschen Oberst André Bodemann unterstellt. Daraus entwickelte sich eine persönliche Freundschaft.
Zu seinem Abschied im Jahr 2012 war es MacMullen ein Anliegen, Bodemann ein Geschenk zu machen, welches ihre »Verbundenheit als Soldaten und NATO-Verbündete zum Ausdruck bringen sollte«. Seine Wahl fiel auf eine der Kabuler Bierdosen. Im Oktober 2023 übergab Generalleutnant André Bodemann, derzeit Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, die Dose als Schenkung an das Militärhistorische Museum.
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